KVN Pro

Niederlassung: Wirtschaftsförderung im besten Sinne

Als Geschäftsführer der KVN Bezirksstelle Braunschweig hat Stefan Hofmann es in den letzten Jahren erreicht, zahlreiche Kommunen seiner Bezirksstelle für eine Förderrichtlinie zur Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzen zu gewinnen. Worum geht es dabei?

 

Herr Hofmann, im KVN-Bezirk Braunschweig haben sich mittlerweile zahlreiche Landkreise und Städte dafür entschieden, eine gebietskörperschaftlichen Förderung von Ärztinnen und Ärzten einzuführen. Was bezweckt ein solche Förderrichtlinie?


Hofmann: Der Grundansatz ist, dass die ländlichen Gebiete mit einer gesonderten Förderperspektive einen Anreiz bieten sollen – Wirtschaftsförderung im besten Sinne durch die Ansiedlung von Arztpraxen. Dieser Gedanke hat sich erst in den letzten Jahren durchgesetzt. Früher sorgte die KV zuverlässig dafür, die vertragsärztlichen Nachbesetzungen sicherzustellen und die Kommunen waren davon unberührt. Heute gehen wir mit der Botschaft in die kommunalen Sozialausschüsse, dass auch wir auch in der Ärzteschaft mit Fachkräftemangel kämpfen, wie in vielen Bereichen der Wirtschaft, und somit einen Paradigmenwechsel in der Sicherstellung sehen. Wir können nicht mehr bei nachlassender Ärztezahl alle Arztsitze an jedem Ort nachbesetzen. Neue Angebote in Abstimmung mit den Landkreisen an verkehrsgünstigen und demographischen Prognosen sinnvollen Standorten mit neuen Kooperationsmodellen wie überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften oder MVZ´s werden zur Perspektive der Zukunft.

Hofmann web

Stefan Hofmann ist Geschäftsführer der KVN Bezirksstelle Braunschweig und engagierter Verfechter der kommunalen Ärzteförderung.

Wie hat man sich diese Förderrichtlinie vorzustellen? Sind das Empfehlungen der KVN für die Kommunen, wie man Ärzte heranholt?


Hofmann: Lange herrschte in den Kommunen die Einstellung vor, dass Ärztinnen und Ärzte keine Förderung benötigen würden. Als wesentlicher Baustein der lokalen Daseinsvorsorge bedarf es mittlerweile eines Anreizes, ein „Willkommen in unserer Gemeinde, Landkreis oder Stadt“. Vor 10 oder 15 Jahren war die Not noch nicht so groß. Jetzt sind Kooperationen mit der KVN und kommunalen Vertretern gefragt. Das heißt, wir helfen unseren Kommunen bei der passgenauen Entwicklung einer Förderrichtlinie der Verwaltung, um etwa die Bedarfsplanungsvorgaben exakt zu formulieren oder das Wording für die politischen Gremien korrekt darzustellen. Jede Gebietskörperschaft hat die Förderkriterien respektive Voraussetzung bedarfsorientiert angepasst. Die Zuständigkeiten sind auch unterschiedlich in den Landkreisen verortet: Der eine hat es im Gesundheitsamt, der andere in der Gesundheitsregion und wieder andere in der Wirtschaftsförderung untergebracht. Vor allem aber haben wir darauf geachtet, dass die Stärkung der hausärztlichen und eher ländlichen Versorgung betont wird.

 

Gibt es dabei Risiken für die Kommunen?


Hofmann: Es ist im Regelfall eine „Richtlinie nach billigem Ermessen“, die Landkreisgremien, bei dem nach Dringlichkeit und/oder Haushaltslage über eine Förderung nach den genannten Voraussetzungen entschieden werden kann. Ich habe immer wieder persönlich in den Sozialausschüssen die ärztliche Versorgungslage erläutert, sodass die Notwendigkeit deutlich und das finanzielle Risiko überschaubar wird. Die Fördergelder werden nicht massenhaft abgefordert werden , können im Einzelfall aber bei der Niederlassungsentscheidung helfen. Es ist ein schlichter Wirtschaftsfaktor, also Wirtschaftsförderung im Rahmen der Daseinsvorsorge im allerbesten Sinne. Die Zuwendungsempfänger müssen vor Aufnahme ihrer Tätigkeit die Bedingungen erfüllen, so ist es meist formuliert. Bei einer bedrohten Versorgung werden auch Anstellungsverhältnisse gefördert. Wichtig war uns, dass sie präventiv wirken und nicht erst, wenn eine Unterversorgung eingetreten ist.

 

Wie kommen die Angebote denn an die Zielgruppe?


Hofmann: Über die Ausschreibungen im nds. ärzteblatt, die lokalen Medien und die Landkreise selbst. Die Stadt Wolfsburg hat sogar eine ganz große Plakataktion in anderen Bundesländern gestartet. Auch unsere Praxisberaterinnen kennen die Fördermöglichkeiten. Und überall, wo es um die Niederlassung geht, wird die finanzielle Ansiedlungshilfe vorgestellt.

 

Sind denn bis zu 50.000 Euro heute wirklich ein Anreiz für eine Niederlassung?


Hofmann: Durchaus! Wir haben auch dazu geraten, eine Doppelförderung zuzulassen, damit in besonders kritischen Versorgungsgebieten der Anreiz zur Niederlassung erhöht wird. Das heißt, auch wenn bereits die KVN fördert, kann zusätzlich noch die Kommune fördern. Gerade in Salzgitter sind wir dankbar für jede Praxis, die kommt. Deshalb hat die Stadt Salzgitter die Fördersumme im Vergleich zu den anderen besonders attraktiv mit bis zu 100.000 Euro ausgelobt.

 

Seit wann sind sie mit der Förderrichtlinie unterwegs?


Hofmann: Es fing an mit der Bedarfsplanungsreform nach dem GKV-VstG 2013. Also rund zehn Jahre haben wir gebraucht, um Maßnahmen gegen den zunehmenden Ärztemangel flächendeckend im Bezirk zu etablieren. Wichtig war mir vor allem diese Strukturmaßnahme nicht im Widerstreit und Wettbewerb mit oder sogar zwischen den Kommunen, nicht als Einzelfalllösung für ein Dorf, sondern wirklich in der Raumordnungsregion der gesamten Bezirksstelle durchzuführen.

 

Es geht also nicht nur ums Geld, sondern auch um Kooperation mit kommunalen Partnern bei der Umsetzung der Bedarfsplanung?


Hofmann: Die nachhaltige Wirkung, sprich langfristige Niederlassung steht immer im Mittelpunkt. Die meisten Kommunen streben danach, die Ärzte vor Ort zu halten. Ihre Zahl nach oben zu entwickeln ist ein frommer Wunsch. Meist geht es einfach darum, die Versorgungsgrade stabil zu halten. Alleine die Zahl der veröffentlichten Fördergebiete der KVN steigt stetig an. Die Kommunen hatten die große Angst, dass es dabei zu einer Art Verzerrungswettbewerb kommt. Wir wollten verhindern, dass einzelne Städte oder Kommunen mit punktuellen finanziellen Anreizen um Ärztinnen und Ärzte werben. Wichtig ist ein Blick in die Bevölkerungsentwicklung des Landkreises. Deswegen haben wir uns mit den Landkreisen zusammengesetzt und mit diesen Versorgungsschwerpunkte ventiliert. Wir fragen also: Wo ergeben sich Versorgungsengpässe? Wo kommen neue Wohngebiete mit Familien und Kindern? Wo werden neue Baugebiete und Verkehrsverbindungen geplant? Im Landkreis Gifhorn beispielsweise haben wir mit dem Ärztezentrum in Wesendorf einen Versorgungsschwerpunkt im Landkreis Gifhorn etabliert. Wir haben mit den Bürgermeistern gesprochen und intelligente Versorgungsmodelle entwickelt, nachdem ein Arzt in Steinhorst seine Praxis altersbedingt aufgegeben hatte. Das Ärztehaus in Wesendorf richtete eine Zweigsprechstunde an einzelnen Tagen ein und der Bürgermeister stellte Räumlichkeiten und die Digitalleitung – also ganz modern! Das hat in der Kooperation mit dem Landkreis und der Kommune gut geklappt!

 

Das heißt, Sie bewegen die Kommunen, ein Stück weit von dem bestehenden Rahmen der Bedarfsplanung abzurücken?


Hofmann: Die zielgenaue Förderung solcher Zukunftsprojekte ist die Aufgabe der KVN der Zukunft. Das ist meine feste Überzeugung. Es ist eine Botschaft, die man in der Politik manchmal schwer vermitteln kann, dass auch Ärztinnen und Ärzte den Arbeits- und Wertewandel in Praxen haben wollen mit größeren Einheiten und attraktiven Teilzeit- und Arbeitszeitmodellen. Die Sorge vieler Bürgermeister gilt dem Weggang einer Einzelpraxis, die über 30 Jahre funktioniert hat, bis der Inhaber mit 72 Jahre in den wohlverdienten Ruhestand geht. Reflexartig kommen die mittlerweile bundesweit bekannten Schreckensmeldungen zum Ärztemangel auf dem Land in der Presse.

 

Dabei fördern Sie auch Anstellungsverhältnisse?


Hofmann: Ja, und auch anteilige Stellen. Zum Beispiel haben wir in einigen Landkreisen begonnen, auch über Strukturelemente nachzudenken. So könnte man eine Förderung etwa an die Weiterbildung in der Praxis knüpfen. Eine Stelle in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Berufsausübungsgemeinschaft könnte stärker förderungswürdig als die Einzelpraxis sein. Warum? Weil so eine Vierer- oder Fünferpraxis mehr flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht. Das ist dann auch für die Gewinnung von Krankenhausärztinnen und -ärzten in Teilzeit attraktiv. Wir haben daher den Landkreisen vermittelt: Strukturförderung kann helfen, nachhaltig Praxen an den Standort zu binden und das ist für alle zielführend.

 

Also ist die Einzelpraxis ein Auslaufmodell?

 

Hofmann: Nein, es gibt durchaus Regionen, da macht es Sinn, zwei, drei Einzelpraxen zu haben, die in der Fläche versorgen. Wir sind angesichts der angespannten ärztlichen Versorgungslage froh um jede/n, der kommt. Aber was die meisten nicht mehr wollen, sind dauerhaft 12-Stunden-Arbeitstage und danach oder am Wochenende noch Bereitschaftsdienst. Auch die Frage der Vertretung, wenn man mal krank wird oder in den Urlaub geht, ist häufig eine kritische Größe. Wichtig ist für uns die freiberufliche Trägerschaft. Der politische Trend geht derzeit in die Richtung: Regionale MVZ und Gesundheitskioske in kommunaler Hand. Aber man kann nicht alles über kommunale Strukturen abbilden.

 

Mit Stefan Hofmann sprach Dr. Uwe Köster