KVN Pro

Gezielte Förderung für bessere Versorgung

Salzgitter leidet in besonderem Maße unter dem Ärztemangel. Mit ihrer neuen
Förderrichtlinie versucht die Stadt gegenzusteuern. In acht Fällen konnten bislang durch finanzielle Zuschüsse Ärztinnen und Ärzte in die Stadt geholt oder dort gehalten werden

In Salzgitter sehen sich Ärzte und Kommunalpolitiker mit einer herausfordernden Versorgungslage konfrontiert: Zum einen sind insgesamt 19 Arztsitze unbesetzt. Zum anderen ist die Ärzteschaft in Salzgitter deutlich überaltert. Dies wird die Situation in Zukunft noch verschärfen. Und drittens liegt der Anteil der Privatpatienten in der Stadt deutlich unter dem Landesdurchschnitt.

 

Über die Bedeutung des letzten Punktes ist sich Salzgitters Sozialdezernent Dr. Dirk Härdrich im Klaren: „Ein bestimmter Anteil an Privatpatienten ist ja schon notwendig für den Betrieb, den man aufrecht erhält.” Es fehlt der tertiäre Sektor, zu dem Dienstleistungen, Banken und ähnliche Einrichtungen gehören. Die Stadt hat eine stark gewerbliche Struktur und einen hohen Anteil an Transferleistungsbeziehern.

 

Förderrichtlinie gegen Grundsatzprobleme

 

Ein drängendes Problem in Salzgitter ist auch der Zustand vieler überalterter Praxisbauten. Oft können Ärzte, die eine Praxis übernehmen möchten, die erforderlichen baulichen Auflagen nicht mehr erfüllen.

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Sozialdezernent Dr. Dirk Härdrich

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Salzgitter hat liebenswerte Seiten - doch in der Öffentlichkeit dominiert das Bild der grauen Industriestadt. Foto: Wikimedia Commons/ Johamar

Im April letzten Jahres wurde daher die Förderrichtlinie der Stadt zur Arztansiedlung verabschiedet. Den Impuls dazu gab die Anfrage einer Praxis: Ein Facharzt für Allgemeinmedizin in Weiterbildung hatte den Wunsch, in Salzgitter zu bleiben - sofern die Erweiterung der Praxis finanziell gefördert würde. Dieser Anlass führte zur finanziellen Unterstützung der Ansiedlung von Hausärzten und Hausärztinnen in der Stadt.

 

Um das Thema in der Politik zu verankern, entwickelte die Stadt im Frühjahr 2021 ein Hausarzt- und Hausärztekonzept, um darzustellen, wo überhaupt die Möglichkeiten einer Kommune bei der Ärzteförderung liegen. Zugleich wurde ein „Runder Tisch” gebildet, an dem Vertreter der Verwaltung, der Politik, der Kassenärztlichen Vereinigung und erfahrene Ärzte beteiligt sind. Er dient dazu, „alle Möglichkeiten mal durchzudenken”, wie Härdrich betont.

Förderung investiver Maßnahmen

 

Die Förderrichtlinie wurde mit der KVN abgestimmt, um sicherzustellen, dass sich die vorgesehenen Förderungen nicht gegenseitig ausschließen. Insbesondere ging es darum, dass eine Förderung durch die KVN nicht eine städtische Förderung verhindert. Salzgitter erlaubt wie Gifhorn eine kumulative Förderung.

 

Die Stadt hat Prämien für zwei Hauptbereiche festgelegt: bauliche Maßnahmen und die Weiterbildung von angehenden Fachärzten. Die Richtlinie ist jedoch nicht abschließend und bietet Spielraum für verschiedene förderfähige Maßnahmen, darunter Barrierefreiheit, Raumvergrößerungen, Grundrenovierungen und medizinisches Gerät. Solche Maßnahmen können bis zu einer Obergrenze von 100.000 Euro gefördert werden, wobei die Stadt insgesamt 250.000 Euro pro Jahr zur Verfügung stellt. Von den insgesamt acht gestellten Anträgen wurden fünf bereits bewilligt, einer befindet sich noch im Verfahren, zwei Anträge können erst jetzt bewilligt werden, nachdem die Haushaltsgenehmigung durch das Land Niedersachsen vorliegt.

 

In alle Richtungen denken

 

Der Hauptzweck der Förderung besteht darin, neue Ärzte in Salzgitter zu halten, insbesondere nach Abschluss ihrer Ausbildung oder wenn sie sich in der Stadt niederlassen möchten. Auch Praxisübernahmen können gefördert werden. Der Antragsprozess beginnt formlos, wird dann durch das Gesundheitsamt in ein Formular überführt und geht anschließend an den Sozialdezernenten. Härdrich beschreibt diesen Prozess als eine Mischung aus „Windhundverfahren und Abwarten”, um sicherzustellen, dass die Fördermittel gerecht verteilt werden. Eine Einbeziehung der Ratsgremien ist in diesem Stadium nicht erforderlich.

 

Eine wichtige Voraussetzung für die Förderung ist, dass die geförderten Ärzte mindestens fünf Jahre in Salzgitter bleiben. Andernfalls müssen die Fördermittel zurückgezahlt werden. „Nach fünf Jahren hat sich das aber so eingespielt und sortiert, dass ein dauerhaftes Verbleiben in Salzgitter erfolgt”, ist Härdrich zuversichtlich.

 

Obwohl es eine gewisse kommunale Konkurrenz zwischen den umliegenden Städten gibt, glaubt Härdrich nicht, dass sie sich die Ärzte gegenseitig abwerben. Das könnte aber in Zukunft zunehmen, wenn die Versorgungslage sich weiter verschärft. Daher bemüht sich die Stadt Salzgitter, Kindergartenplätze und Bauplätze zur Verfügung zu stellen, um Ärzte in der Kommune zu halten.

 

Angesichts der anhaltenden Herausforderungen werden am runden Tisch auch alternative Modelle wie Medizinische Versorgungszentren oder Gesundheitskioske diskutiert. Härdrich schließt mit den Worten: „Es muss nicht immer die alte 24/7-Hausarztpraxis sein. Wir werden nur eine Chance haben, wenn wir diese Modelle weiterdenken.”

 

Frank.

Carsten Frank (re.) bei der Eröffnung seiner Praxis in Salzgitter-Hallendorf. KVN-Bezirksvorsitzender Dr. Thorsten Kleinschmidt (li.) schaute als Gratulant persönlich vorbei. Foto: U. Köster, KVN

Wiederbelebung dank Förderung


Carsten Frank profitierte als einer der ersten Ärzte in Salzgitter von der kommunalen Niederlassungsförderung. Der Hausarzt und Internist kannte die Region – er ist in Peine geboren, nach dem Medizinstudium in Magdeburg hatte er viele Jahre in der Helios-Klinik in Salzgitter gearbeitet, bis er sich entschloss, den seit längerem verwaisten Hausarztsitz in Salzgitter-Hallendorf zu übernehmen. Die Praxis dort war seit Ende 2019 geschlossen. Längere Zeit hatte sich kein Nachfolger dafür gefunden. Mit Fördermitteln der KVN in Höhe von 50.000 Euro modernisierte Carsten Frank die Praxis. Allerdings blieb ihr der Nachteil, dass sie im zweiten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses liegt und damit für gehbehinderte Patienten nur eingeschränkt erreichbar war. Mit weiteren 10.000 Euro Förderung durch die Stadt Salzgitter baute Frank einen Treppenlift ein, um seine Praxis barrierefrei zu machen. „Ich kann mich über Salzgitter nicht beklagen”, sagt der Arzt, der nach eigenen Angaben bis zu 50 Patienten täglich versorgt. Aber: „Ohne Finanzhilfen hätte ich es nicht geschafft.” Frank ist damit ein typisches Beispiel kommunaler Daseinsvorsorge durch gezielte Ansiedlungsförderung.